Sachverständiger Dieter Sauerbier

Öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für das Bestattungsgewerbe

Einkommen der Ehegatten ist bei Sozialbestattungen zu berücksichtigen

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In einem aktuell veröffentlichten Urteil hat das Bundessozialgericht (BSG) klargestellt, dass bei einer Sozialbestattung Einkommen und Vermögen von Ehegatten der Antragsteller bei der Bedürftigkeitsprüfung berücksichtigt werden können. Darüber hinaus könne auch der Einkommensüberschuss aus mehreren Monaten zu verwenden sein, bevor das Sozialamt einzutreten hätte. Dies hänge im Einzelfall von der Möglichkeit ab, einen Kredit aufzunehmen oder Ratenzahlungen zu vereinbaren.

In seinem bereits im April dieses Jahres erlassenen Urteil hatte das BSG den behandelten Fall an das zuständige Landgericht zurückverwiesen. Die Vorinstanz hatte eine Einkommensgrenze, also eine Art Selbstbehalt in Höhe von 1.836 Euro errechnet und ein zu berücksichtigendes Einkommen des Antragstellers und seiner Ehefrau in Höhe von insgesamt 2.529,73 Euro zugrundegelegt. Angesichts des hohen Einkommensüberhangs in Höhe von fast 700 Euro wäre es dem Antragsteller zumutbar, die - nach Abzug des vorhandenen Nachlasses verbliebenen - Bestattungskosten in Höhe von 2.765,22 Euro mit dem Überschuss aus vier Monaten zu begleichen. Daher sei der beklagte Sozialhilfeträger nicht zur Erstattung der Bestattungskosten verpflichtet.

Der Antragsteller war der Auffassung, dass nur sein Einkommen aus einem Monat maßgeblich wäre und ihm daher die Bestattungskosten zu ersetzen wären. Daher legte er Revision vor dem BSG ein.

Dem BSG fehlten jedoch verschiedene Feststellungen der Vorinstanz um eine eigene endgültige Entscheidung treffen zu können. Es gab infolgedessen für die erneute Entscheidung des Landessozialgerichts verschiedene Punkte vor, die dieses feststellen bzw. beachten müsse.

Insbesondere solle das Gericht Feststellungen zur Frage der "Zumutbarkeit" der Kostentragung nach § 74 SGB XII ("Sozialbestattung") nachholen. Eine besondere Bedeutung komme laut den Richtern hierbei den wirtschaftlichen Verhältnissen des zur Tragung der Bestattungskosten Verpflichteten zu. Lägen die gesetzlichen Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII oder zur Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem SGB II vor, sei regelmäßig von der Unzumutbarkeit der Kostentragung auszugehen.

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Bedürftigkeit eines Antragstellers sei der Fälligkeitszeitpunkt der Bestattungskosten. Würden die Rechnungen in verschiedenen Monaten fällig, etwa einerseits die Bestattungskosten, andererseits die Friedhofsgebühren, müssten die jeweils in einem Monat fälligen Kosten dem in diesem Monat vorhandenen Einkommensüberschuss gegenübergestellt werden. Daher müssten auch Feststellungen zu den jeweiligen Fälligkeitszeitpunkten getroffen werden.

Neben den eigenen Einkünften des Antragstellers sei bei der Bedürftigkeitsprüfung auch das Renteneinkommen der Ehefrau zu berücksichtigen, soweit die Eheleute nicht getrennt leben würden. Aus dem Begriff der Zumutbarkeit in § 74 SGB XII ergäben sich insoweit keine Besonderheiten zu andere Sozialleistungen. Die Gegenauffassung würde dazu führen, dass auch bei einem überdurchschnittlichen Einkommen des Ehegatten Sozialleistungen gewährt würden. Dies widerspräche dem sozialhilferechtlichen Grundsatz, dass ein Familienangehöriger einer Einstandsgemeinschaft regelmäßig nicht nur für den eigenen Bedarf Sorge trägt, sondern im Rahmen seiner Leistungsfähigkeit in Notfällen auch den Bedarf der Einstandsgemeinschaft insgesamt deckt.

Es sei eine Einzelfallentscheidung, ob der die Einkommensgrenze übersteigende Teil ganz oder gar nicht für die Bestattung aufzuwenden sei. Je näher das Verwandtschaftsverhältnis sei, um so eher sei dem Pflichtigen der Einsatz des gesamten Überhangs zuzumuten. Zerrüttete Verhältnisse könnten hingegen zu einem Entfallen der Zumutbarkeit führen. Auch seien bei der Einzelfallprüfung individuelle Darlehensverpflichtungen zu berücksichtigen. Dabei sei vorliegend zu ermitteln, ob und inwieweit es dem Antragsteller möglich war, seine Darlehensverpflichtungen auszusetzen bzw. mit welchen wirtschaftlichen Folgen eine Aussetzung der Zahlungen verbunden gewesen wäre.

Soweit dann ein einzusetzender Überhang ermittelt würde, käme auch der Einsatz dieses aus mehreren Monaten in Betracht.

Zumutbarkeit nach § 74 SGB XII sei nämlich das, was "typischerweise" von einem "Durchschnittsbürger" in einer vergleichbaren Situation erwartet werden könne. Dazu gehöre auch, die Bezahlung mit Hilfe eines Darlehens oder durch eine Stundungs- oder Ratenzahlungsvereinbarung mit den Gläubigern. Dabei sei nicht entscheidend, ob - entsprechend der Regelung des § 87 Absatz 3 SGB XII - das überschießende Einkommen von drei oder vier Monaten zur Bezahlung der Bestattungskosten ausreichend sei. Maßgebend sei, ob der Verpflichtete unter Berücksichtigung seiner Einkommens- und Vermögensverhältnisse bei einer Bank einen Ratenkredit erhält, den er in angemessener Zeit tilgen könne, oder ob die Gläubiger eine entsprechende Stundungsvereinbarung abzuschließen bereit sind. Bei der Aufnahme eines Ratenkredits sei dabei von einer Laufzeit von ca. einem Jahr auszugehen, innerhalb der die Bestattungskosten ausgeglichen werden sollten.

(Quelle: Verbraucherinitiative Aeternitas, Urteil des Bundessozialgerichts vom 04.04.2019, Az.: B 8 SO 10/18 R)